
Gandria
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Schweiz
Luganer See
Gandria
1964
Der hagere Mann hielt seiner Frau die Wagentür auf. Sie bedankte sich höflich und strich sich den Rock glatt. Er wischte sich schnell das schüttere Haar glatt, in das der frische Wind Unordnung gebracht hatte. Dann verschloss er sorgsam seinen VW Käfer, streichelte dankbar mit dem Fingerknöchel über den weißen Lack der Gepäckklappe.
Er hatte das Auto an der Straße geparkt, die oberhalb des romantischen kleinen Ortes Gandria am nördlichen Ufer des Luganer Sees entlangführte.
Gemeinsam schritten sie die vielen Stufen hinab, die zum Ort hinunterführten. Die Wände der alten Häuser zeigten einen liebevoll vernachlässigten Anblick. Der Putz war brüchig. Es roch feucht. Die Fenster sehnten sich nach einem neuen Anstrich. Aber es standen überall Blumen auf den Fensterbrettern, Blumenampeln hingen von den niedrigen, überhängenden Dachstürzen. Vor den schiefen Türen standen vereinzelt kleiner Tische. Eine Katze lag auf einem alten Klappstuhl, der unter einem Fenster stand. Aus dem Inneren des Hauses untermalte das Scheppern eines Nachrichtensprechers aus einem Kofferradio, das Klappern von Töpfen. Eine Frau rief laut einen Namen und eine brüchige, verschlafene Männerstimme antwortete; „Si, cara mia!“
Die Stufen führten in steilen Winkeln immer weiter hinab zum See. Das Pflaster ließ sich schwer laufen für die Frau mit den schicken Schuhen. Für den Mann in seinen abgewetzten Tretern und dem sicheren Gang eines jahrelangen im Beruf stehenden Mann vom Bau war das keine Schwierigkeit. Die Frau genoss die Sicherheit, die sie schon immer fühlte, wenn sie an seiner Seite ging.
Der See glitzerte am Ende einer Gasse zwischen den Häuserwänden hindurch. Sie hatten den langen Abstieg hinter sich gebracht. Die Sicht zum See öffnete sich breit und fantastisch.
Drei abgewetzte Stufen führten zu einer schmalen steinernen Uferterrasse herunter. Sie brachten auch diesen Treppenabsatz hinter sich und genossen den Anblick des Luganer Sees, der ihnen für einen Moment Sprache und Atem nahm.
Im satten Grün stieg das andere Ufer steil in die Höhe und warf seine Schatten auf das Wasser. Da wo die Sonne das Wasser traf, leuchtete es in Sommerblau. Im Schatten der Berge wandelte sich der Farbton hin zu einem kalten Schiefergrau. Zwischen den Bäumen am anderen Ufer stachen wie bunte Tupfer vereinzelt Häuser in Oker, Gelb und Rot heraus. Der Himmel strahlte fast schon in einem Weiß, das blendete.
Nicht weit von Ihrem Standort entfernt, schaukelte ein Boot im Wasser. Der Rumpf marineblau gestrichen. Das Segel, das leicht im lauen Wind klapperte, leuchtete in sattem Karminrot.
Sie schauten gemeinsam über die friedlich schaukelnden Wellen. Am gegenüberliegenden Ufer ragte der Monte Salvatore mit seinem markanten Buckel aus dem See empor. Eine alte Häuserreihe duckte sich neben der Terrasse am Seeufer entlang und verwitterte leise vor sich hin. Ein Torbogen durchbrach die Fassade. Eine Einfahrt für kleinere Boote.
Sie lehnte ihren Kopf an seinen Oberarm.
„Ist das schön hier“, sagte sie.
„Jenieße den Anblick,“ erwiderte der Mann mit der typischen Berliner Schnauze. „Morjen gucken wir wieder in die Fenster unsrer Spandauer Nachbarn.“
„Und der längste Spaziergang endet immer an der Mauer.“ Sie seufzte. „Schade, dass man solch einen Anblick nicht mitnehmen kann.“
„Hast recht. Fotojrafieren iss nich das selbe. Wie oft kiekt man sich det an. Det sind Farben, wa?“
Ein schurrendes Geräusch lies das Pärchen aus ihrer verzauberten Betrachtung der Landschaft aufschrecken.
Hinter ihnen am Stufenabsatz hatte sich ein Maler postiert. Seine Staffelei stand gefährlich nahe am Rand der obersten Stufe. An der nächstgelegenen Häuserwand lehnten ein paar seiner Kunstwerke. Die meisten zeigten den Ausblick, den die beiden Reisenden im Moment verinnerlichten.
Das Pärchen betrachtete die Bilder des Malers. Er hatte die Farben in denen sich der See präsentierte perfekt eingefangen. Genauso sah die Welt im Moment aus. Strahlend schön und von einer das Herz umklammernden Klarheit, wie sie nur die Illusion eines Traums erzeugen kann.
Sie sahen sich beide an und waren sich einig. Wenn dieser Anblick, mit dem See und dem Berg und den verwitternden Häusern gerahmt in ihrem Schlafzimmer hängen würde, könnten sie ihn beim Einschlafen und beim Aufwachen immer wieder genießen. Sie könnten mit den Blicken in einen vergangenen Augenblick kurzen, aber intensiven Glücks eintauchen und träumen, ohne zu schlafen.
„Ob wir uns das wohl leisten können?“ fragte sie.
„So schnell komm wa hier nich wieda her. Wer weeß, ob überhaupt. Wat solls. Wir sind nur eenmal jung.“
„Gewesen, mein Lieber. Gewesen.“
„Tja. Wer weiß schon, was noch kommen tut, wa, meene Schnecke.“
Sie küssten sich mit der Energie der Jugend und der Leidenschaft des Alters.
Nur wenige Jahre konnten meine Großeltern diesen Anblick genießen. Dann schlug bei ihm der Krebs zu. Sie folgte ihm, als sie kurz nach seinem Tod in Wasser ging.
Das Bild hing eine Zeit bei meinen Eltern. Jetzt schaut es von der Wand im Schlafzimmer meiner Herzdame und mir.
Ich habe erst in diesem Jahr herausgefunden, welchen Ort das Gemälde darstellt. Meine Mutter konnte es mir nicht sagen. An der Amalfiküste zeigte ich einem Kunsthändler ein Foto von Gemälde. Er tippte auf einen oberitalienischen See. Das der Ort sich in der Schweiz befindet, konnte ich dank der Intelligenz von Google Earth herausfinden. Und meiner Hartnäckigkeit beim Suchen.
Als meine Großeltern das Bild erwarben, müssen sie ungefähr im selben Alter gewesen sein, wie meine Herzdame und ich jetzt.
Vielleicht ein Grund, sich den Ort persönlich anzusehen, an dem die Leinwand bemalt wurde. Denn schließlich ist es in diesen Tagen unser 35. Hochzeitstag, den wir feiern. Die Leinwandhochzeit.
60 Jahre später
Der Parkplatz oberhalb der kleinen Gemeinde Gandria am Luganer See erweist sich als Herausforderung. Ein- und Ausfahrt liegen in Fahrtrichtung der entgegenkommenden Spur. Ich wende beherzt auf der Fahrbahn. Es ist Montag Mittag und der Verkehr ist übersichtlich. Im zweiten Anlauf passe ich durch die schmale Einfahrt und halte in der einzigen noch verfügbaren Parklücke. Von dem Ort Gandria selbst ist nichts zu sehen. Blicke ich den Hang hinunter, schau ich direkt aufs Wasser.
Das ist jetzt also der Ort, an dem meinen Großeltern vor lauter Romantik ganz romantisch wurden. Hier kauften sie ein Gemälde, das seit einigen Jahren über unserem Schlafzimmerbett hängt.
Ich wollte diesen Ort unbedingt finden. Viel weiß nicht von meinen Großeltern. Sie lebten in Westberlin und kamen nur selten zu Besuch in den Osten, wo ich aufwuchs. Ich war sieben, als sie starben. Alles was ich über sie weiß, habe ich aus den wenigen Erzählungen meiner Mutter und aus alten Briefen erfahren. Die Suche nach dem Ursprung des Bildes sollte mich, so hoffte ich, den Großeltern etwas näher bringen. Doch jetzt stehe ich zunächst auf einer Betonfläche, zwischen einer Straße auf der einen Seite und einer Menge Gestrüpp auf der anderen. „Tja“, denke ich und zucke mit der Schulter „Mal kieken!“.
Dann schlendere ich zur Parkuhr. Ratlosigkeit befällt mich, bei deren Anblick. Das ist bei Parkuhren nichts Ungewöhnliches. Doch diese Parkuhr schafft es, mich komplett zu verwirren. Sie verlangt Schweizer Franken. Ausschließlich. In Hartgeld. Ich schaue mir eine andere Parkuhr an. Sie stellt dieselbe Forderung. Mit meiner Kreditkarte und etwas italienischem Kleingeld stehe ich hier, wie ohne Unterhosen. Auf die Idee, kurz nach Überquerung der Grenze eine Wechselstube anzusteuern, um Schweizer Franken im Gegenwert von fünf oder zehn Euro in Hartgeld zu tauschen, damit ich auf einer Betonplatte das Auto straffrei abstellen kann, bin ich als europäisch verwöhnter Bürger nicht gekommen.
Wir befinden uns im Herzen von Europa. Rings um die Schweiz herum befindet sich die Europäische Union. Der Parkplatz auf dem ich stehe, ist gerade mal 10 km von der italienischen Grenze entfernt. Und trotzdem kommt man sich vor, als wäre man auf einem anderen Kontinent. Gesetzestreu wie ich bin, werde ich nervös. Kaum bin ich eine Viertelstunde in der Schweiz, klabautert in mir ein kleiner Eidgenosse hervor und winkt drohend mit dem Finger. Meine Herzdame ist so pragmatisch, wie man als Berliner Mädel nur sein kann. Sie versucht, mich zu beruhigen. "Mit Sicherheit werden die das Auto nicht abschleppen. Und wenn es ein Bußgeld gibt, dann ist das halt so. Du bist bestimmt nicht der einzige, der hier ohne passende Penunze rumsteht."
Auf diese Art zur Straffälligkeit angeregt, machen wir uns auf den Weg in das Dorf. Ich streife noch kurz dankbar mit dem Zeigefinger meiner rechten Hand über die Motorhaube, um mich bei dem treuen Fahrzeug für seine Fahrt zu bedanken. Dann hakt sich meine Herzdame bei mir ein. Gemeinsam machen wir uns auf die Suche nach der Stelle, die auf dem Gemälde meiner Großeltern verewigt wurde.
Vom Parkplatz herunter führt eine barrierefreie Betonrampe.
Durch das üppige Grün schimmert von weiter unten das rote Dach eines Hauses herauf. Sonst ist von dem Ort nicht viel zu sehen. Die Rampe führt gerade und mit nur geringem Gefälle hinab.
"Irgendwie muss man doch auch schneller runter kommen" mosere ich. Wir entschließen uns, umzudrehen und einen anderen Weg zu suchen. Beinahe stehen wir schon wieder auf dem Parkplatz, da bemerkt meine Herzdame ein Hinweisschild, mit der Aufschrift Gandria. Eine steile Treppe stürzt sich direkt dahinter in die Tiefe. Wir steigen hinab. Durch die dichte Vegetation schimmert das stahlgraue Wasser des Sees. Die Sonne versteckt sich hinter einem dünnen Schleier aus sandgelben Wolken. Es ist schwül. Das Licht ist diffus. Im Gebüsch albert eine Mönchsgrasmücke herum. Aufgeregt zwitschert sie unsichtbar zwischen den Zweigen.
Die Treppe endet und wir betreten eine schmale Straße. Rechts eine Kirche, links eine Garage. Auf der anderen Seite stehen dicht aneinandergedrängt betagte Häuser. Unter einem Torbogen führt eine weitere Treppe hinab.
Die Treppen sind sehr individuell gestaltet. Manche mit Terrazzoplatten, andere mit runden Kopfsteinen. Manche Treppen haben die Kontur langgestreckter Plateaus, die hinter- und untereinander angeordnet bergab führen. Doch kaum verschwinden sie hinter einer Ecke, werden die Stufen schmal und steil.
Die Häuser, die die Treppen rechts und links begrenzen, sind irgendwann mal mit frischer Tünche vollgekleistert worden. Das scheint aber länger her zu sein. An mehreren Stellen bröckelt der Putz und es treten ältere Farbschichten hervor und Mauerwerk. Unvermittelt unterqueren wir einen Torbogen. Es wird dunkel. Der Weg führt unter einem Wohnhaus hindurch. Links neben der Treppe steht eine Holztür offen. Musik schallt aus einem Radio. Dann treten wir in eine Gasse helle Gasse. Auf einer Seite verbirgt eine Feldsteinmauer die Sicht auf den offenen Innenhof eines sich dahinter versteckenden Wohnhauses. Links steht ein Blumenkübel von enormen Ausmaßen. Ein kleiner Olivenbaum hat es sich darin gemütlich gemacht. Daneben sichert ein schmiedeeisernes Gitter ein Fenster. Das Fenster ist mal erneuert worden. Es passt optisch nicht ganz in die alte Fassade. Aber hier leben Menschen. Das ist, obwohl die Schweiz das Dorf Gandria als Nationales Erbe eingestuft hat, kein Museumsdorf. Der Totalitarismus, der oft vom Denkmalschutz ausgeht, kam hier nicht überall zum Zug.
Wir bleiben stehen. Ich suche nach einem Hinweis auf das Restaurant Antico. Das soll sich heute nahe der Terrasse befinden, auf der sich meine Großeltern küssten.
Das Schild taucht unvermittelt an einer Wand auf, als habe es sich gerade materialisiert. 20 Meter rechts verkündet es. Wir folgen dem Hinweis, biegen um die Ecke eines Hauses.
Die Sicht auf den See, der eben noch von den engen Gassen versperrt war, öffnet sich mit einer plötzlichen Weite, die mir kurz den Atem nimmt. Das gegenüberliegende Ufer türmt sich mit einer Wand aus Vegetation hinauf in den Himmel. Windböen spielen verführerisch mit der Oberfläche des Sees. Sonnenstrahlen, die durch die dünnen Schleierwolken stechen, lassen Lichtsterne auf dem Wasser tanzen.
Ich drehe mich nach rechts und erwarte, die Ansicht wiederzufinden, die ich vom Gemälde kenne. Aber es sieht anders aus. 60 Jahre haben Details verändert. Der steinerne Absatz vor dem alten Haus, der auf der rechten Seite des Bildes frei zugänglich schien, ist nicht zu erkennen. Das Restaurant Antico hat ihn mit einer Außenterrasse überbaut. Sonnenschirme mit Getränkewerbung verdecken die Sicht auf anschließende betagte Häuserensemble. Die Toreinfahrt auf Wasserhöhe, die mich auf dem Gemälde so faszinierte, ist kaum zu erkennen. Dichter Bewuchs verbirgt sie zur Hälfte. Ein Wellblechdach überspannt den Rest, schützt darunter geparkte Motorboote vor Regen, Sonne und Vogelschiss. Der Berg, der die Szenerie auf dem Bild beherrschte, ist nur am Rand zu erkennen. Es sieht so aus, als stünde ich noch nicht an der Stelle, an der der Maler einst sein Motiv fand.
Vor mir ragt ein Holzsteg ins Wasser. Es ist eine Anlegestelle für die Fahrgastschifffahrt. Eine Kette versperrt den Zugang. Auf einer Seite ist sie an einem eisernen Poller angeschlagen. Auf der anderen Seite an einem Kassenhäuschen. In diesem sitzt eine junge Frau die gelangweilt auf ihrem Smartphone herumwischt und TikTok Videos durchscrollt.
Ich frage, ob ich mal kurz für ein Foto auf den Steg treten kann. Sie hebt den Blick ohne die Langeweile darin zu verlieren, bringt aber eine Nuance darin unter, mit der sie die absolute Törichtkeit, die diese Frage besitzt, ausdrückt. "Nein, natürlich nicht!" Aha. Klar. Wir sind hier in der Schweiz. Da gibt es Regeln. Das Wort Ausnahme steht nicht im Schweizer Duden.
Ich beginne schon resigniert den Rückzug. Mein Plan, die Gemäldeansicht eins zu eins auf Foto zu bannen und sich auf diese Weisen den Großeltern zu nähern, scheint sich in Luft aufzulösen. Doch da tritt meine Herzdame in Aktion. Mit einer Argumentationsattacke von einer Heftigkeit, die ich von ihr höchst selten mal erlebe, geht sie auf die Kassiererin los. Erzählt ihr vom Gemälde und davon, dass wir extra aus Deutschland gekommen sind, für diesen einen Anblick und das sie doch bitte ein Herz haben möge. Vor dem Restaurant Antico steht eine Bank. Dort hocken brav Fahrgastschiffahrtsbesucher und warten auf die Erlaubnis zum Aufstehen. Ihre Minen zeigen bei dem Auftritt meiner Herzdame alle Variationen menschlicher Ausdrucksformen. Von Belustigung, über Neugier, Fassungslosigkeit und Empörung. Fast fluchtartig steigt die junge Frau aus ihrem Kabäuschen. In leicht geduckter Stimmung sagt sie: "Meinetwegen. Aber nur ein Foto!"
Ich betrete den Holzsteg der Schweizer Fahrgastschiffahrtsgesellschaft. Drei Meter muss ich hinaus auf den See treten. Dann hab ich es, das Motiv des Malers und die traumhafte Aussicht meiner Großeltern. Und jetzt stehe ich und fast alles ist perfekt. Nur schade, dass meine Herzdame nicht mit auf den Steg gekommen ist. Aber ich habe ja nur die Erlaubnis für ein Foto und nicht die für ein romantisches Tete-a-Tete zu zweit. Man möchte die schweizerischen Regeln und Gesetze ja nicht überstrapazieren. Sonst stürzt am Ende die ganze bekannte Welt der Eidgenossen ein.
Nach der Fotosession steuern wir durch die verwinkelten Gassen und über die steilen Stufen wieder den Parkplatz an. Nach wenigen Metern bin ich stark verschwitzt. Ein paar mit einem mächtig bepelzten Hund redet ihrem Liebling gut zu, doch sich nicht ganz so träge vorwärts zu bewegen. Bei der schwülen Luft kann ich ihm nachfühlen. Auch wenn mein Fell wesentlich dünner ist.
Das Auto steht noch an Ort und Stelle. Einen Strafzettel kann ich auch nicht entdecken. Ich nehme an, während der Mittagspause schlafen in der Schweiz für gewöhnlich die Übeltäter und gönnen den Ordnungshütern ihre wohlverdiente Pause. Und mit der verdammungswürdigen Dreistigkeit europäischer Grenzübertreter wollen sie während der Pause auch nichts zu tun haben. Wir lassen das Dorf und den Parkplatz hinter uns. Kurz vor der Grenze sehe ich eine Wechselstube. Die Grenzer winken uns durch, ohne uns groß Aufmerksamkeit zu schenken. Wir sind also noch nicht in der Kartei der Übeltäter gelandet.
Schließlich erreichen wir Italien. Wir sind wieder in auf dem Boden des gewohnt chaotischen Europa.
Das Foto ist nicht besonders geworden. Die Sonne fehlt und die Farben kommen nicht so strahlend zur Geltung, wie ich es erwartete. Eher blass zeigt es nur eine mäßige Ähnlichkeit mit dem Bild an unserer Wand.
Der Magie des Augenblickes, den der Maler einfing und sich im Herzen meiner Großeltern niederließ, findet sich im Foto nicht.
Für meine Herzdame und mich besitzen andere Augenblicke immerwährenden Zauber. Der Tanz eines Schwanenpärchens auf dem Boddengewässer, das Schwirren der Mauersegler über dem Luberon. Der Blick auf Lissabon von einem der vielen Miradouros. Ein Eisvogel, der still auf einem Ast sitzt. Der leise Moment auf einer Bank, mit der Sicht auf einen stillen See, während dessen nicht mehr zu spüren ist als der sanfte Druck zweier sich haltender Hände.
Der Blick von der Terrasse in Gandria, der meinen Großeltern so viel Romantik bescherte, das Gemälde, das ihn einfing, es war nicht unser Moment des Glücks. Es war der Moment meiner Großeltern. Kurz und flüchtig, doch für eine lange Zeit in strahlende Farben gefangen.